Die (kurze) Geschichte eines nordpfälzischen Dorfes
Die Besiedlung Göllheims lässt sich über viele tausend Jahre zurückverfolgen, auch wenn der Ort selbst erst in einer Urkunde aus dem Jahr 819 nach Christus als „Gylnheim“ erwähnt wird.
Seit fast 2000 Jahren prägt vor allem der Bergbau den Ort und seine Umgebung. Daher wird der Besucher, je nachdem, aus welcher Richtung er nach Göllheim kommt, von Ortseingangssteinen aus rotem Sandstein (Dreisener und Kerzenheimer Straße) oder aus hellem Kalkstein (Mainzer und Wormser Straße) empfangen. Die Gesteinsmaterialien nehmen Bezug auf Göllheims geologische Lage: Hier stoßen rotliegende Sandsteine an tertiäre Kalk-, Sand- und Mergelschichten. Archäologische Funde in der Gemarkung Göllheim beweisen, dass diese Gegend schon früh besiedelt war (die Vor- und Frühgeschichte ist im Museum Uhl’sches Haus dokumentiert). Die ältesten Stücke stammen aus der Jungsteinzeit (2000 bis 1000 v. Chr.), aber auch Kelten (um 700 bis 500 v. Chr.) haben ihre Spuren hinterlassen. Anfang dieses Jahrhunderts wurden auf der Gewanne „Füllenweide“ alte Kupferstollen aus der Römerzeit ausgehoben, sie enthielten unter anderem Tongefäße aus der Zeit um 150 bis 250 n. Chr. Im Frühjahr 1979 wurde auf der Gewanne „Weißerde“ ein fränkisches Gräberfeld (um 500 bis 600 n. Chr.) gefunden. Der Ort Göllheim wird im 9. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt, und zwar als „Gylnheim“, nach Christmann „Heim des Gilo“.
Ein Ereignis ragt aus der langen Geschichte Göllheims heraus: Die Schlacht auf dem Hasenbühl. Am 2. Juli des Jahres 1298 entbrannte bei Göllheim eine blutige Schlacht zwischen Adolf von Nassau und Albrecht von Österreich. Es ging dabei um nicht weniger als die deutsche Königskrone. Adolf verlor auf tragische Weise Kampf und Leben, Albrecht gewann endgültig die Macht im Deutschen Reich. Die Schlacht auf dem Hasenbühl gilt als die letzte Ritterschlacht auf deutschem Boden. Das Andenken an die blutigen Ereignisse ist bis heute in Göllheim lebendig geblieben.
Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich Göllheim zu einem wohlhabenden Marktflecken mit einer Ortsbefestigung und einem eigenen Gericht. Der dreißigjährige Krieg setzte dem Leben in Göllheim aber weitgehend ein Ende – von den schweren Verwüstungen durch Krieg und Seuchen berichten zahlreiche Quellen. Dafür blieb der Ort von Zerstörungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg am Ende des 17. Jahrhunderts weitegehend verschont.
Nach der französischen Revolution gehörte Göllheim kurzzeitig zum Kanton Mont Tonnerre, um dann ab 1816 ein Teil der bayerischen Pfalz zu werden. Die Zeit des 19. Jahrhunderts hat den Ort bis heute geprägt. Zahlreiche Bauten zeugen noch heute von der damaligen Ortserweiterung und einem wahren Bauboom.
Göllheims Geschichte in Jahreszahlen
| 819, 828, 833 |
Erwähnung Göllheims in den Urkunden des Klosters Hornbach
| Seit dem 13. Jahrhundert |
Göllheim gehört zu den Grafen von Eberstein und damit zur Herrschaft Stauf
| 1247 |
Graf Eberhard II. von Stauf und seine Gemahlin Adelheid stiften dem 1241 gegründeten Kloster Rosenthal das Patronat und den Zehnten der Kirche zu Göllheim
| 1263 |
Die Herrschaft Stauf kommt in den Besitz der Grafen von Zweibrücken
| 2. Juli 1298 |
Schlacht am Hasenbühl: Im Kampf um die Königskrone gegen Albrecht von Österreich verliert Adolph von Nassau sein Leben, Errichtung des Königskreuzes durch Adolphs Witwe Imagina
| 1378 |
Die Herrschaft Stauf gelangt in den Besitz des Grafen von Sponheim
| 1393 |
Die Herrschaft Stauf kommt in den Besitz des Grafen von Nassau
| 1450 |
Erstmals wird das Göllheimer Gericht bezeugt. Sein Siegel enthält eine Lilie, die auch heute noch Bestandteil des Wappens der Ortsgemeinde ist
| Im 15. Jahrhundert |
Der Ulrichsturm wird errichtet. Wahrscheinlich wird bereits vor 1450 der Bering angelegt
| 1572 |
Einführung der Reformation in Göllheim
| 1618-1648 |
Dreißigjähriger Krieg
|1683|
Im Dénombrement (Beschreibung) der Herrschaft Stauf heißt es: „Der Marktflecken Göllheim ist in den letzten Kriegen außerordentlich ruiniert worden.“
| Seit 1686 |
Es ist wieder eine katholische Pfarrei in Göllheim bezeugt
| 1688-1798 |
Die Herrschaft Kirchheim – Stauf ist im Besitz der Fürsten zu Nassau-Weilburg
| 1765-1770 |
Umbau der mittelalterlichen Kirche (sie ist heute die protestantische Pfarrkirche)
| 1776 (1798) |
Neubau des Kerzenheimer Tores
| 1781 |
Neubau des Dreisener Tores
| 1786 |
Bau des Rathauses (es ist heute das evangelische Gemeindehaus)
| 1793 |
Französische Revolutionstruppen stehen in Göllheim: Der Ort muss einen Eid auf die Grundsätze der französischen Verfassung leisten
| 1793/94 |
„Plünderungswinter“ im Revolutionskrieg
| 1798-1814 |
Göllheim wird französischer Kantonsort
| Ab 1800 |
Ortserweiterung mit Bebauungen an der Dreisener Straße, der Königskreuzstraße und der Kerzenheimer Straße
| 1811-1815|
Bau der katholischen Kirche Heilig-Kreuz
| 1814-1816 |
Verwaltung des Ortes durch die Landesadministrativkommission Österreich/Bayern
| 1816-1945 |
Göllheim gehört zum Bayerischen Rheinkreis. Die Zugehörigkeit zu Bayern bleibt bis 1945 bestehen
| 1839 |
Fertigstellung der Königskreuzkapelle
| 1848-1850 |
Bau der Synagoge (sie wird 1971 wegen Baufälligkeit abgerissen)
| 1890 |
Bau der Ludwigshalle
| 1909-1911 |
Bau der katholischen Kirche St. Johannes-Nepomuk und Abriss der Heilig-Kreuz-Kirche
| Ab 1914 |
Errichtung der Stromversorgung
| 1914-1918 | 1. Weltkrieg mit französischer Besatzung
| 1923/24 |
Die Separatistenbewegung versucht, das Göllheimer Rathaus zu besetzen
| 1928 |
Errichtung des Wasserwerkes
| 1939-1945 |
2. Weltkrieg, Göllheim fällt wieder unter französische Besatzung
| 1947 |
Bildung des Landes Rheinland-Pfalz
| Ab 1960 |
Ansiedlung der Dyckerhoff-Zementwerke und einer pyrotechnischen Fabrik, Ausweisung von Neubaugebieten und eines Gewerbegebietes, Anlage des neuen Marktplatzes und der Kanalisation, Bau der Gutenbergschule (heute Fachoberschule), in den folgenden Jahren Angliederung eines Sport- und Freizeitzentrums. Versorgung der Gemeinde mit Erdgas
| 1972 |
Bildung der Verbandsgemeinde Göllheim
| 1978 |
Ansiedlung der Firma WESTA Fördertechnik
| 1979 |
Das Heimatmuseum „Uhl’sches Haus“ wird eröffnet
| 1988 |
Bau des Therapeutischen Kinderzentrums
| 1992 |
Sanierung und Ausbau des Verwaltungsgebäudes der Verbandsgemeinde Göllheim
| 1994 |
Die Ortsgemeinde Göllheim feiert 1175jähriges Jubiläum
| 1998 |
Die Ortsgemeinde Göllheim feiert 700 Jahre Schlacht am Hasenbühl
| 2000 |
Eröffnung des Agenda-Wegs Göllheim
| 2003 |
Einweihung des „Haus Gylnheim“ (Bürgerhaus) im historischen Ortskern
| 2004 |
Bau des neuen Feuerwehrgebäudes am Ortsrand
| 2006 |
Ansiedlung der Firma Linde
| 2007 |
Seniorenresidenz Haus Antonius (Voll- und Kurzzeitpflege) wird eröffnet, das Kunst-Symposion „Blickachsen“ findet statt
| 2010 |
Eröffnung des Geopfads Dachsberg
| 2012 |
Ausbau der beiden Kindertagesstätten, DSL-Kabellegung
| 2012/13 |
Die lokale Aktionsgruppe Donnersberger und Lautrer Land entwirft ein zukunftsweisendes Innenentwicklungskonzept für den Göllheimer Ortskern
| 2013 |
Barrierefreier Wanderweg an der Pfälzer Waldhütte im Göllheimer Wald
| 2014 |
Ansiedlung der Firma Sonima
| 2015 |
Das Heimatmuseum „Uhl’sches Haus“ wird mit neuem Konzept wieder eröffnet
| 2019 |
Die Ortsgemeinde Göllheim feiert 1200jähriges Jubiläum
1200 Jahre Göllheim
Ein geschichtlicher Überblick von Karl Scherer
Name, Alter und erste Erwähnung
Hofgruppen der Bandkeramiker und Funde aus keltischer und römischer Zeit in der Gemarkung, aber auch ein größeres frühmittelalterliches, fränkisches Gräberfeld im heutigen Ortsbereich (nördlich der Mozartstraße) und selbst die Urkunde, in der erstmals sein Name begegnet, belegen, dass Göllheim weitaus älter als 1200 Jahre alt ist.
Schon sein Name deutet auf ein weitaus höheres Alter hin, denn alle Siedlungsnamen mit dem Grundwort, „heim“ und einem maskulinen Personennamen im Genitiv als Bestimmungswort sind auch in der Nordpfalz sprachliche Zeugnisse der Aufsiedelung durch die Franken im 6./7. Jahrhundert. So wird Gilo (Kurzform für Gilabert oder Gilomar), der historisch nicht präzise nachzuweisen ist, höchstwahrscheinlich ein von einem Frankenkönig mit einer Hofstatt begabter freier Franke gewesen sein, dessen Namen Göllheim zur Unterscheidung von den anderen „heim“-Orten trägt, die ebenfalls im Einzugsbereich des fränkischen Königsgutkomplexes lagen, der nach seinem Verwaltungszentrum „Wormsgau“ hieß.
Die von der älteren Forschung angenommene Existenz eines fränkischen Königshofes („mansio regia“) in Göllheim hat Michael Münch wegen fehlender urkundlich bezeugter Königsaufenthalte und sonst eindeutiger Indizien mit einem dicken Fragezeichen versehen. Dagegen findet sich im Ort bereits früh kirchlicher Grundbesitz, der sowohl aus königlichen als auch hochadeligen Schenkungen resultierte und gut belegt ist.
So weist das 742 von Pirminius als Haus- und Eigenkloster der Widonen, der Vorfahren der Salier, gegründete Benediktinerkloster Hornbach schon in seiner Gründungsausstattung unter seinem Fernbesitz Liegenschaften in Göllheim auf und ist hier neben den Widonen sicher einer der ersten, wenn nicht der erste Grundherr gewesen.
In einem von Ludwig dem Frommen in seiner Pfalz Ingelheim am 7. August 819 für die Benediktiner in Hornbach ausgefertigten Diplom, in dem der Kaiser die vorbehaltlose Rückgabe der dem Kloster „ohne Wissen und Willen des verewigten Kaisers Karl“ u.a. in der Gemarkung Göllheim von einem Grafen Atto geraubten Ländereien verfügte, ist unser Ort in der Namensform „Gylnheim“ (Heim des Gilo) erstmals schriftlich festgehalten.
Unter wechselnden Herrschaften im hohen und späten Mittelalter
Die karolingische Grafschaftsverfassung ermöglichte den Widonen – bzw. ihren Verwandten und Nachfolgern, den Saliern – ihre Stellung im Worms- und im Nahegau immer stärker herrschaftlich auszubauen. Wohl um 1000 errichtete die jüngere Wormser Linie des salischen Hauses, als Lehensträger der Trierer Kirche, über dem Oberlauf der Eis die Burg Stauf als Zentralort der gleichnamigen Herrschaft, zu der auch unser Göllheim gehörte.
Unter wechselnden Herren als Nacherben der Salier und Trierer Lehensträger hat sich der kleine Weiler Gylnheim von der Mitte des 8. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts zu einem Bauerndorf von beachtlicher Größe entwickelt.
Als erste begegnen hier – im Gefolge Barbarossas bezeugt – Edelherren („liberi“) von Stauf, deren Geschlecht mit einem vor 1200 verstorbenen Gottfried von Stauf erlosch. Über seine Tochter Kunigunde sollen die aus dem Murgtal stammenden Grafen von Eberstein in den Besitz von Burg und Herrschaft Stauf und damit auch unseres Dorfes gelangt sein. Graf Eberhard III. von Eberstein und seine Gemahlin Adelheid von Sayn, stifteten 1241 das Zisterzienserinnenkloster Rosenthal, statteten es mit Eigengut – u.a. mit Teilen der Göllheimer Waldgemark – aus und schenkten ihm 1247 auch den Kirchsatz („ius patronatus“) in Göllheim „samt allem verwertbaren Zubehör“. Heute erinnert in der Gemeinde nur noch die fünfblättrige Rose auf dem Zierstein am Spitzbogenfenster an der Südseite des mittelalterlichen Turms der protestantischen Kirche an dies aus dem Schwarzwald stammende Adelsgeschlecht und sein Wappen.
Durch die Ehe ihrer gemeinsamen Erbtochter Agnes von Eberstein mit dem Grafen Heinrich II. dem Streitbaren von Zweibrücken (um 1238) gelangte die Herrschaft Stauf (mit Göllheim) nach 1263 an die Grafen von Zweibrücken , die damit erstmals im Bistum Worms Fuß fassten.
In die zweibrückische Periode der Göllheimer Ortsgeschichte fiel ein Ereignis von größter reichsgeschichtlicher Bedeutung: Unweit des Dorfes, auf dem Hasenbühl, kam es am 2. Juli 1298 zur Entscheidungsschlacht um Krone und Reich zwischen König Adolf von Nassau und Herzog Albrecht von Österreich. Dabei blieb Göllheim vom Kampfgeschehen verschont, da Ritterscharen sich in seinen engen Gassen nicht zum Kampf entfalten konnten. Aber die nach ihm sich nennenden Ritter Jakob und Heinrich von Göllheim, die zum Lehenshof der Grafen von Zweibrücken gehörten, dürften im Aufgebot ihrer Lehensherren, der Grafen Eberhard I. und Walram I. von Zweibrücken geritten sein, die in der letzten, reinen Ritterschlacht auf deutschem Boden unter dem Banner des Habsburgers gefochten haben. Zeitgenossen nannten Graf Walram I. ausdrücklich unter denen, die mit Adolf von Nassau die Klinge gekreuzt und ihn getötet haben sollen.
Noch heute erinnert das wohl um 1309 errichtete Königskreuz in Göllheim an den einzigen deutschen Herrscher, der den Schlachtentod gefunden hat.
Der tragische Ausgang seines schwachen Königtums ist ein unübersehbares Indiz dafür, dass die politischen Kräfte in der Rheinachse erschöpft und nicht mehr in der Lage waren, Krone und Macht des Reiches im alten Kraftfeld („vis maxima regni“) des Hohen Mittelalters, zu halten und zu festigen. Im Oktober 1298 trugen die beiden Zweibrücker ihr Dorf und Gericht Göllheim („nostram Gillenheim cum iurisdictione“) dem Bischof von Worms und der Wormser Kirche zu Lehen auf. Die darüber ausgestellte Urkunde ist für uns deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie den ersten Schriftbeleg für ein Göllheimer Gericht enthält, das seinerseits bereits ein größeres Dorf voraussetzte.
1305 teilten die Brüder die Grafschaft unter sich auf, wobei Graf Walram I. die zu Haus und Burg Stauf gehörenden Güter und Dörfer erhielt und die Linie Zweibrücken-Stauf begründete. Da sich seine Nachfolger hoch verschuldeten und Teile der Herrschaft deshalb sogar an Juden verpfänden mussten, machte Erzbischof Balduin von Trier seine oberherrlichen Rechte geltend und ließ bis 1354 die Einkünfte und Gefälle der Herrschaft durch seine Beamten auch in Göllheim einziehen. Doch selbst in dieser für seine Ortsherren äußerst kritischen Zeit ist unser Dorf weitergewachsen. Indirekt wird diese Feststellung in einem 1381 von Graf Eberhard II. von Zweibrücken-Stauf ausgestellten Lehensbrief bestätigt, der eine so stattliche Liste von Einwohnern und Grundbesitzern, in Dorf und Gericht Göllheim enthält, dass sie sich de facto „wie die Momentaufnahme eines Katasters ausnimmt“ (M.Münch).
1388 musste sich Göllheim an einen neuen Landes- und Ortsherren gewöhnen: Graf Heinrich II. von Sponheim-Dannenfels, seit 1378 schon im Besitz der halben Herrschaft Stauf, kaufte den Zweibrückern in diesem Jahr auch die zweite Hälfte ab. In seiner kurzen Regierungszeit – er starb bereits 1393 – soll er von König Wenzel Stadtrechte für Göllheim erlangt haben. Doch es gibt bis dato keinen einzigen schriftlichen Quellenbeleg, der diese Annahme bestätigen würde. Markt und Gericht sowie der ohnedies erst in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaute Ulrichsturm sind – selbst in ihrer Gesamtheit – keine hinreichenden Indizien für Urbanität. Eine Stadterhebung unsres Ortes im 14. Jahrhundert ist deshalb klar zu verneinen.
Unter der Herrschaft des Hauses Nassau (1393 – 1792)
Da der Sponheimer ohne männliche Leibeserben blieb, fielen die Herrschaften Kirchheim und Stauf 1393 an seine Enkelin Anna von Hohenlohe, die mit Graf Philipp I. von Nassau-Saarbrücken verheiratet war. Beide Herrschaften verbanden nahezu ideal die alten, größeren nassauischen Besitzkomplexe an Lahn und Saar und verblieben fortan – und damit auch Göllheim – bis in die Tage der Französischen Revolution hinein beim Hause Nassau.
Mit Phillips I. Herrschaftsantritt begann für unser Dorf allerdings eine schwierige Zeit, denn der Nassau-Saarbrücker verfolgte im Reich große politische und militärische Ziele. Zu deren Finanzierung nahm er – wie vor ihm die Zweibrücker – hohe Kredite auf, für die er Pfänder zu stellen hatte. Bereits 1406 verpfändete er erstmals auch Göllheim. Weitere Verpfändungen folgten und da seine Nachfolger seinem Beispiel gefolgt sind, entstand im Verlauf des 15. Jahrhunderts in unserem Dorf, das eines der beliebtesten, weil wertvollsten Pfänder für die Schuldverschreibungen seiner Herren war, ein verwirrendes Geflecht von Verpfändungen, unter denen die Göllheimer schwer zu leiden hatten, da jeder Pfandherr möglichst viel aus dem Pfand „herausholen“ wollte.
Philipps Söhne teilten 1442 die Grafschaft und begründeten die Linien Nassau-Saarbrücken und Nassau-Weilburg. Das Gebiet, auf dem Gau und vor dem Donnersberg, d.h. die Herrschaften Kirchheim und Stauf, wurde jedoch bis 1555 von beiden Linien gemeinsam verwaltet. Dies erforderte besonders in Göllheim mit seiner unübersichtlichen Gemengelage von nassauischem, kirchlichem und verpfändetem Grundbesitz ‚jemand‘, der sich im Ort bestens auskannte und das war das Dorfgericht, dessen Mitglieder gleichsam das lebende Grundbuch bildeten. Vom 4. April 1450 datiert seine erste erhaltene Urkunde. Dazu passt, dass unter dem 5. Juni des gleichen Jahres, die wichtigste Rechtsquelle des Dorfes, das „Göllheimer Weistum“, unter Verweis auf ältere Aufzeichnungen („aus andern Büchern geschrieben“) schriftlich niedergelegt wurde. Durch Gericht und Weistum ist die dörfliche Selbstverwaltung nachhaltig gestärkt worden. In die Zeit der gemeinsamen Verwaltung fielen im 16. Jahrhundert drei für Göllheim bedeutsame Ereignisse: Die sogen. ‚Hausen-Fehde‘, der große Bauernkrieg und die Anfänge der Reformation.
In der Übergangsphase zwischen den vielen Verpfändungen und einer geordneten fürstlichen Finanzverwaltung der Nassauer Grafen kam es 1518 zwischen diesen und dem Verwalter ihrer Herrschaft Stauf, dem finanzkräftigen Phillip von Hausen genannt von Sulzbach, der jahrelang ihre Ausgaben vorfinanziert hatte, zu einer Fehde, in deren Verlauf neben anderen Orten auch Göllheim von Hausen überfallen und geplündert wurde, obwohl er im Dorf selbst begütert war. Dennoch ging die kriegerische Auseinandersetzung für den hart mitgenommenen Ort glimpflich aus. Da die Nassauer auf ihren wichtigen ‚Zwischenfinanzier‘ nicht verzichten konnten, gaben sie klein bei, zahlten ihm die geschuldeten Gelder und ersetzten auch die von Hausen in Göllheim angerichteten Schäden. Das Ende dieser Fehde hatte sich gerade abgezeichnet, da brach 1525 der große Bauernkrieg aus, von dem Göllheim, im Gegensatz zur Hausen-Fehde, nicht direkt betroffen wurde, denn die Göllheimer haben den „Uffruhr gegn von Gott gesezte Oberkeit“ entschieden abgelehnt. Es war das erste, nicht das letzte mal, dass sich die Gemeinde einer revolutionären Bewegung versagt hat: Zwar waren auch die Göllheimer Bauern Leibeigene, die schwer „zu fronen und zu zinsen“ hatten, aber die große Mehrheit von ihnen waren „Klosterleute“ von Rosenthal und unter dem Krummstab der Äbtissin war weitaus besser zu leben als unter adligen Grundherrn. Die Parole der Aufständischen: „Für das alte Recht, wider Adel und Pfaffen“ fand hier deshalb keine Zustimmung. Kein Göllheimer schloss sich dem „vereinigten Neustadter Haufen“ an, der Kirchheim einnahm und die Burgen Bolanden und Stauf in Brand steckte bevor er von kurpfälzischen Truppen bei Pfeddersheim vernichtend geschlagen wurde. Kein Göllheimer wurde nach der Niederschlagung des Aufstandes von den Nassauern zur Rechenschaft gezogen oder gar, wie „zu Kirchheim under der Linden vorm Thor… mit dem Schwert gericht“.
Weil sich die Nassau-Weilburger schon 1524 zu Luther bekannten, die Nassau-Saarbrücker jedoch der alten Kirche treu blieben, verhinderte ihre Konfessionsverschiedenheit in dem von ihnen gemeinsam verwalteten Gebiet nahezu 5 Jahrzehnte eine offizielle Einführung der Reformation. Auch in Göllheim herrschten so lange unsichere konfessionelle Verhältnisse. Als evangelisch angesehene Pfarrer haben zwar schon 1537 und 1562 in seiner Pfarrkirche gepredigt , aber die Pfarrei blieb dem Kloster Rosenthal bis zu dessen Auflösung (1572) in der umfangreichsten Form („pleno iure“) inkorporiert und die Klosterfrauen haben im Dorf bis zuletzt frei und ungehindert über die Rechte und den großen Grundbesitz der Zisterze (über die Hälfte der bewirtschafteten Gemarkung war „Klosterland“) verfügt. Erst nach dem Erlöschen der katholischen nassau-saarbrückischen Linie (1574) hat Graf Philipp IV. von Weilburg, nunmehr alleiniger Besitzer der Herrschaft Stauf, von seinem „ius reformandi“ Gebrauch gemacht, 1575 das lutherische Bekenntnis eingeführt und die katholische Pfarrei in Göllheim aufgelöst. Nach seinem Tod (1602) vereinigte sein Neffe Ludwig II. der Saarbrücken zur Residenz wählte und die jüngere Linie Nassau-Saarbrücken begründete, sämtliche Gebiete der nassau-walramischen Hauptlinie in seiner Hand. Eine kurze Blütezeit unter seiner Regierung beendete jäh der Dreißigjährige Krieg (1618-1648).
In den 30 Kriegsjahren wurde dem aufstrebenden Marktflecken Göllheim seine günstige Verkehrslage – vor dem Donnersberg, an einer alten Heerstraße, kaum mehr als jeweils einen Tagesmarsch von Kaiserslautern, Frankenthal, Speyer, Worms und Mainz entfernt – immer dann zum Verhängnis, wenn diese Städte Ziel oder Ausgangspunkt militärischer Operationen der Kriegführenden waren. Schon 1623 galt der Ort als von den Spaniern ganz „verderbt“ d.h. finanziell und wirtschaftlich ruiniert. Dennoch war er 1631, als die Schweden im Land herrschten, mit 68 Haushaltungen noch immer das größte Dorf in der Herrschaft Stauf, wies allerdings bereits 7 leerstehende Häuser auf, deren Bewohner entweder Opfer der wiederholt grassierenden Pest oder der brutalen „Kriegsläufe“ geworden waren. Und die Kriegsfurie hat weiter gewütet: Nach der Belagerung Kaiserslauterns durch die Kaiserlichen im Sommer 1635 lag Göllheim „etliche Jahr öde und wüst, … also dass Gras auf denen Gassen mehr als Manns hoch gewachsen“ und noch 1644 blieb den Weimarischen hier „nichts denn das Stroh der Dächer für die Ross“. Als 1648 die Friedensglocken läuteten, waren die meisten Göllheimer „bello, fame, peste gestorben“ („durch Krieg, Hunger und Pest gestorben“). Kaum eine Handvoll Menschen hauste noch im zerstörten Dorf und für diese ging das „Kontributioniert-, Ausgepresst- und Gefoltert werden“ noch zwanzig Jahre weiter. Erst 1668 – mit dem Abzug der Soldatenhaufen des heimatlosen Herzogs Karls IV. von Lothringen aus der Pfalz- wurde die Donnersberg-Region und damit auch Göllheim die letzte Landplage und Erbschaft des Großen Krieges los.
Seit 1655 amtierte zwar wieder ein Schultheiß (Theobald Eidt) im Ort, aber die wiederkehrende Pest, die Hegemonialkriege und die Reunionspolitik Ludwigs XIV. verhinderten bis zur Jahrhundertwende einen kontinuierlichen Wiederaufbau. Als das gesamte nassau-weilburgische Territorium 1680 gewaltsam mit Frankreich „reuniert“ wurde, zählte Göllheim zwar schon wieder 711 Seelen (29 „Freie“, 151 „Gefreite“, 514 „Fronbare“ und 17 Juden), erhielt im Zuge der von den Franzosen eifrig betriebenen Rekatholisierung 1686 wieder eine katholische Pfarrei und entging im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) als ‚reuniertes Dorf‘ der Zerstörung, aber erst unter Graf Johann Ernst von Nassau (1675-1719), der 1697 im Frieden von Rijswijk seine von Frankreich besetzten und reunierten Lande zurück erhielt, setzte in den nassauischen Herrschaften in der Nordpfalz – und damit auch in Göllheim – ein anhaltender wirtschaftlicher Aufschwung ein, der von einem starken Bevölkerungswachstum begleitet war. Dieser Trend setzte sich unter seinen Nachfolgern, die seit 1737 den Fürstentitel führten, ungebremst fort. Die Kabinettskriege des 18. Jahrhunderts haben diese Entwicklung nicht mehr ernsthaft zu gefährden vermocht.
Göllheims wachsender wirtschaftlicher Wohlstand schlug sich in Fürst Carl Christians Regierungszeit (1753-1788) in einer erstaunlichen Bautätigkeit nieder: Nacheinander entstanden das Schiff der evangelischen Kirche (1765), ein querrechteckiger Saalbau in der Nachfolge der Kirchheimbolander Pauluskirche, das Kerzenheimer (1776) und das Dreisener Tor (1781) und schließlich das spätbarocke Rathaus (1786), dessen optische Verbindung mit dem hinter ihm aufragenden mittelalterlichen Turm des Vorgängerbaus der evangelischen Kirche eine „architektonische-ästhetische Meisterleistung“ (M. Hoffmann) darstellt. Diese Bauten gaben, zusammen mit einer Vielzahl von privaten zweigeschossigen Massiv- und Fachwerkbauten, Göllheim im ausgehenden 18. Jahrhundert – und das war von Fürst Carl Christian von Nassau-Weilburg zweifellos gewollt – ein gewisses barock-urbanes Profil und lassen damit der Vermutung Raum, dass seine Stadterhebung allein durch die Sansculotten verhindert wurde, die 1792 nahezu kampflos Mainz und fast das ganze linke Rheinufer für das revolutionäre Frankreich eroberten und dabei auch an seine Tore pochten.
Göllheims „Franzosenzeit“ (1792-1814)
In Göllheim stieß die Französische Revolution allerdings auf entschiedene Ablehnung. Das Vertrauen in das Reformpotential des nassau-weilburgischen Fürstentums, seine Institutionen und Traditionen war hier noch ungebrochen. Die revolutionären Parolen – „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ und „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ – vermochten in seiner Bevölkerung keinerlei Begeisterung für die „fränkische Republik“ zu entfachen. Eine breite unterständische Schicht, die politische Spannungen hätten heraufbeschwören können, gab es im Ort nicht. Von seinen 690 Einwohner waren lediglich noch 6 Knechte und 14 Mägde. Es verwundert daher nicht, dass sich nur 4 Göllheimer „Citoyens“ auf die Seite der „Neufranken“ und der „Mainzer Republik“ schlugen. Zum zweiten Mal (nach 1525) in seiner Geschichte zeigte sich das Dorf ausgesprochen revolutionsfeindlich: In der Hoffnung auf eine erfolgreiche Gegenoffensive der ‚alten Mächte‘ Preußen und Österreicher, versuchten die Göllheimer zunächst die Erfüllung der französischen Forderungen – den Eid auf die „Constitution“ und die Teilnahme an den Wahlen zu den neuen „Municipalitäten“ (Gemeindevorständen) und zum „Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent“ – durch immer neue Einwände und Bedenken hinauszuzögern. Vergebens! Durch den Aufbau einer militärischen Drohkulisse zur Eidleistung gezwungen, schwuren sie schließlich – jedoch ohne die Schwurhand zu heben und ohne Anrufung Gottes, was den Schwur sofort wieder ‚kraftlos‘ machte – und wählten – aber erst nach schriftlicher Zusicherung, dass in Göllheim keine Rekruten für die französische Rheinarmee ausgehoben würden – als „Maire“ (Bürgermeister), und „Municipalen“ (Gemeinderäte) wieder die bisherigen, der alten Herrschaft treu ergebenen Gerichtsleute, und zuletzt – weil sie keinen „auswärtigen Neufranken“ als ihren Vertreter im Mainzer Konvent sehen wollten – den einheimischen Revolutionssympathisanten Peter Röhrig zu ihrem Deputierten.
Im weiteren Kriegsverlauf wechselte Göllheim zwischen 1794 und 1796 mehrmals den Besitzer, bis es nach dem Frieden von Campo Formio (1797), im Zuge der Neuordnung von Justiz und Verwaltung in den de facto nun französischen linksrheinischen Landen, einer der 37 Kantonsorte des Departements Donnersberg (Mont-Tonnere) und Sitz eines Friedensgerichts und eines Notariats wurde. Trotz der damit verbundenen Aufwertung ihres Gemeinwesens verharrte die absolute Mehrheit der Göllheimer in ihrer Ablehnung der Revolution und verweigerte standhaft die Unterzeichnung der von Paris gewünschten „Reunionsadressen“. Selbst die Aufhebung aller Feudalrechte, die die Bauern von allen Verpflichtungen gegenüber ihren bisherigen Grund- und Landesherren befreite, die Gewährung der Religionsfreiheit, der Freizügigkeit und der Gewerbefreiheit sowie der Verzicht auf den Subsistenzmittelnachweis bei der Heirat, haben im Dorf keinen Stimmungsumschwung herbeizuführen vermocht, denn die neuen Steuergesetze (Grund-, Personal-, Mobiliar-, Tür-, und Fenstersteuer), der Wegzoll und das Einfuhrverbot für englische Waren, vor allem aber die Einführung des Revolutionskalenders, die die Bevölkerung in allen Sphären ihrer Existenz treffen, wurden als weitaus drückender empfunden als die beseitigten Beschwernisse der überwundenen Feudalzeit.
Doch unter Napoleons Herrschaft änderten sich die Verhältnisse. Der Kanton Göllheim hatte fortan nur noch als Friedensgerichtsbezirk und Wahlkörper Bedeutung; seine 18 Gemeinden wurden in 7 Mairien organisiert. Göllheim bildete zusammen mit Rüssingen eine dieser Mairien. Da Maire, Adjunkt und die Gemeinderäte zu den Höchstbesteuerten im Kanton gehören mussten, stellten die begüterten Familien, die in vorrevolutionärer Zeit das Gemeindeleben im Ort bestimmt hatten, jetzt wieder die Dorfobrigkeit.
Nach all den Revolutions- und Kriegsturbulenzen verkörperte der Korse auch für die Göllheimer endlich wieder Ordnung und Sicherheit. In dieser Auffassung fanden sie sich bestätigt als er die freiheitlichen „Institutionen“ fortbestehen ließ, 1801 das Konkordat mit der Kurie schloss, 1802 den Protestanten durch die sogen. „Organischen Artikel“ Rechtssicherheit gewährte, 1804 den „Code civil“ einführte, 1806 den verhassten Revolutionskalender beseitigte und 1810 den Bau einer katholischen Kirche im Ort bewilligte. Pflichtschuldigst feierten sie daher seine Erhebung zum Kaiser und später seine Siege, ohne je ‚zu Franzosen zu werden‘! Während der ganzen Dauer seines Kaisertums blieben vier große Probleme in Göllheim aktuell:
1. Die großen Schwierigkeiten seiner Bauern ihr Getreide zu vermarkten: Nach der Errichtung der Zollgrenze am Rhein konnten sie ihre beträchtlichen Überschüsse nicht mehr über Worms und Mainz exportierten. Erst als in Mainz, dem logistischen Zentrum der französischen Armee, große Magazine angelegt wurden, begann sich ihre wirtschaftliche Lage wieder zu bessern.
2. Die Versteigerung der 8 in der Gemarkung ausgewiesenen sog. „Nationalgüter“ d.h. ehemaliger landesherrlicher und adliger Ländereien: Da sich nur seine ‚gut betuchten‘ Besitzbürger und Großbauern daran beteiligten konnten, wurde die Kluft zwischen diesen und den Kleinbauern und Tagelöhnern im Dorf immer größer
3. Die Konskription: Nicht jeder als tauglich gemusterte Wehrpflichtige („Conscrit“) wurde auch eingezogen. Wer einen Stellvertreter, einen sogen. „Einsteher“ („Supléant“) zu bezahlen und der Rekrutierungskommission zu präsentieren vermochte, musste die verhasste Uniform nicht anziehen. Von dieser Möglichkeit haben die Söhne der Wohlhabenden regelmäßig Gebrauch gemacht. Sowohl durch die Nationalgüterversteigerung als auch durch die Konskription – beide verstießen gegen die hochgepriesene „Gleichheit“ („Ègalité“) – wurde das Soziale Geflüge in Göllheims Einwohnerschaft empfindlich gestört.
4. Der Straßenbau: Die 1811 vollendete „Kaiserstraße“ („route impériale“) von Metz nach Mainz lief in des Wortes wahrster Bedeutung an Göllheim vorbei. Als Ausgleich bemühte sich die Gemeinde deshalb intensiv um den Ausbau und die Unterhaltung des Abschnitts der alten Heerstraße, der von Göllheim nach Worms führte und als Straße III: Klasse eingestuft war. Doch alles Bemühen war vergeblich. Die für das Dorf so wichtige Straße wurde sogar noch zur Departements Straße – d.h. zu einem besseren Feldweg – abgestuft. Bau- und Unterhaltungskosten fielen damit allein der Gemeinde zur Last, die aufgrund ihrer desolaten Gemeindefinanzen nur ungenügende Flickarbeiten durchführen konnte. Für über 150 Jahre – das war das schlimmste Erbe der ‚Franzosenzeit‘ – ist Göllheim 1811 ins verkehrspolitische Abseits geraten!
Keines der vier Probleme war gelöst, als das napoleonische Empire 1814 zusammenbrach.
Unter dem königlich-bayerischen Löwen (1816-1918)
Mit dem südlichen Teil des ehemaligen Departements Donnersberg wurden auch Kanton und Dorf Göllheim am 1. Mai 1816 königlich bayerisch und die Göllheimer waren zufrieden, dass die vorrevolutionären Verhältnisse nicht wiederkehrten. In der „Franzosenzeit“ hatten sie sich aus fürstlichen „Untertanen“ zu selbstbewussten, freien und gleichen „Bürgern“ („Citoyens“) entwickelt, die sich problemlos mit der bayerischen Herrschaft abfanden, da König Max Joseph und sein leitender Minister Graf Montgelas dem nunmehrigen „überrheinischen Landesteil Bayerns“ das Fortbestehen seiner freiheitlichen „Institutionen“ garantierten und diese Zugeständnisse 1818 in der neuen bayerischen Verfassung festschrieben.
Göllheim blieb Kantonssitz, behielt sein Friedensgericht, sein Notariat und seinen Markt, das Kantonsgefängnis, das Bettelhaus und das Hebammeninstitut. Die Ortserweiterung wurde langsam fortgesetzt; um 1830 verzeichnete man einen regelrechten Bauboom. Die wache, aufstrebende Gemeinde nahm am politischen Zeitgeschehen interessiert Anteil: Ihre Bürger unterstützten den Freiheitskampf der Griechen mit einer Geldspende (1826) und herbergten nicht wenige Teilnehmer des gescheiterten polnischen Aufstandes, die der französischen Grenze zustrebten (1831/32). Liberal gesinnt, lehnten sie die Einführung der Mauth, die den freien Warenaustausch schwer behinderte, entschieden ab (1829) und verurteilten auch die reaktionäre Wende der bayerischen Politik nach der französischen Julirevolution von 1830. Aber gegenüber der radikal-liberalen Opposition, die sich im Januar 1832 im „Preß- und Vaterlandsverein“ organisierte, blieben die Göllheimer dann doch auf Distanz.
In Kirchheimbolanden gehörten bald 134, in Marnheim 45 Personen dem Verein an – in Göllheim niemand und nur eine Handvoll seiner Bürger war am 27. Mai 1832 in Hambach auf dem ersten großen Nationalfest Deutschlands dabei. Während des ganzen Vormärz sind in Göllheim sowohl die Ortsobrigkeit als auch die wenigen Notabeln und die überwältigende Mehrheit der einfachen Ackerbürger und Handwerker gemäßigt-liberal und königstreu gesinnt geblieben, obwohl auch sie mit vielen Maßnahmen der Kreis- und Staatsregierung nicht einverstanden waren.
Als in den letzten Februartagen des Jahres 1848 der revolutionäre Funke aus Paris auch auf die bayerische Pfalz übersprang, ging der bisherige Kampf der Liberalen mit den reaktionären Kräften in Staat und Kirche hier bruchlos über in den Kampf für die nationale Einheit und konstitutionelle Freiheit. Auch in Göllheim hat man die Märzrevolution begrüßt und gehofft, dass durch sie Reformen und endlich auch die Einlösung der fürstlichen Versprechungen aus dem Jahr 1813 erzwungen würden. Man beteiligte sich an der Wahl zur Nationalversammlung, verfolgte danach aufmerksam die Redeschlachten in der Frankfurter Paulskirche sowie die Aktionen der konstitutionellen Staatsgewalt und des Reichsverwesers Erzherzog Johann von Österreich und bekannte sich begeistert zu den am 21. Dezember 1848 verabschiedeten ‚Grundrechten des deutschen Volkes‘ und zur Reichsverfassung. Ihre Verwirklichung glaubte man auf legalem Weg durch Vereinbarung mit den Fürsten erreichen zu können. Eine Durchsetzung mit Waffengewalt oder gar ein Wechsel von der konstitutionellen Monarchie zu einer „rothen Republik“ stand in Göllheim – auch nachdem die bayerische Staatsregierung am 23. April 1849 das Verfassungswerk der Paulskirche endgültig abgelehnt hatte – nie zur Debatte. Der von den radikalen Liberalen im Mai 1849 unverantwortlich ausgelöste Pfälzische Aufstand wurde von der überwältigenden Mehrheit seiner Bevölkerung entschieden abgelehnt. Dass Göllheim dennoch in den Revolutionsstrudel mit hinein gezogen wurde, lag daran, dass es zum Hauptquartier des „Nordkorps der Volkswehr“ bestimmt und auf der Füllenweide das Lager von dessen 1. Bataillon errichtet wurde. Doch die dafür zwangsrekrutierte Göllheimer Jungmannschaft desertierte bei jeder Gelegenheit und als die Preußen am 15. Juni in Göllheim einrückten war von den freiheitstrunkenen ‚Revoluzzern‘ keiner mehr zu sehen. Da sie die Ohnmacht und Zersplitterung der nationalen Bewegung in den Mai- und Junitagen 1849 selbst hautnah miterlebt hatten, das ausschließlich eigene Interessen verfolgende Österreich für sie „weit weg“, Preußen dagegen nah und außerdem durch den auch für Göllheims Handel und Gewerbe lebenswichtigen Deutschen Zollverein schon eng verbunden war, wandte sich die Gunst der Göllheimer allmählich dem bis dato wenig geliebten Hohenzollernstaat und damit auch der „kleindeutschen Lösung“ der „deutschen Frage“ zu.
Als es 1866 dann zum „Bruderkrieg“ kam und Bayern, seiner Bundespflicht nachkommend, an Österreichs Seite trat, zeigte man in Göllheim keinerlei Begeisterung für diesen Schritt. Gegen Preußen marschieren zu müssen, war hier bei aller Treue zum Hause Wittelsbach inzwischen denkbar unpopulär. Nachdem durch den preußischen Sieg bei Königgrätz der unsägliche Dualismus zwischen den beiden deutschen Großmächten zugunsten Preußens entschieden worden war, sah man in Göllheim der politischen Neugestaltung der deutschen Verhältnisse ohne den Habsburgerstaat erwartungsvoll entgegen. Da Napoleon III. die 1866 erfolgte Verschiebung des politischen Gleichgewichts in Europa nicht anerkannte und – von Bismarck durch die „Emser Depesche“ provoziert – am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg erklärte, trat mit allen anderen deutschen Staaten auch Bayern entschlossen auf Preußens Seite. In Göllheim fürchtete man, die Franzosen würden – wie in der Französischen Revolution – sofort auf Mainz vorstoßen, um Süd- von Norddeutschland zu trennen, und selbst der preußische Generalstabschef v. Moltke rechnete mit dieser Möglichkeit und plante daher der französischen Armee zwischen Marnheim und Göllheim ein „Cannae“ zu bereiten, woran heute noch der Moltkebogen auf dem Donnersberg erinnert. Aber Napoleons Truppen waren entgegen aller Erwartungen keineswegs „archipret“ („erzbereit“), sondern wurden im eigenen Land rasch aus dem Feld geschlagen, ihr Kaiser bei Sedan gefangen. „Sedan und die Kaiserproklamation von Versailles waren zwei große Momente in der deutschen Geschichte“ (Paul Rohrbach) und wurden auch im mehrheitlich nationalliberal eingestellten Göllheim so empfunden und pathetisch gefeiert.
Das bisher trotz monarchischer Gesinnung unübersehbare antibayerische Ressentiment wurde im Kaiserreich von einer weitgehenden Loyalität zu Bayern abgelöst. Im kommunalen Bereich kam es zu keinen Änderungen: Die Verwaltung bzw. die Verwaltungsorganisation blieb auch in Göllheim die alte, d.h. die Gemeinde, ihre Vertreter (Bürgermeister und Gemeinderat) und ihre Bürger, waren – wie bisher – gleichermaßen sowohl das Ziel staatlicher Betreuung als auch Bevormundung! Die öffentliche Ordnung gewährleistete weiterhin die „Gendarmerie Station Göllheim“, die sich besonders intensiv um die sog. „unteren Bevölkerungsschichten“ bemühte, so dass das beim Amtsgericht untergebrachte Polizeigerichtsgefängnis über mangelnde Belegung nie zu klagen brauchte. Wandernde Handwerksgesellen und – während der Gültigkeit des berüchtigten Sozialistengesetzes – mancher biedere Arbeiter wurden als verdächtige „dem Sozialismus anhängende Individuen“ streng überwacht, dagegen der vor 1900 auch in Göllheim weit verbreiteten Kinderarbeit keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt – „es gab sie ja schon immer!“
Neben der ‚unendlichen Geschichte‘ der unzureichenden Wasserversorgung widmete man sich im Ort bis 1918 vor allem Fragen der Versorgung mit Elektrizität, des Schulwesens (im Ort bestand neben den beiden christlichen Volksschulen auch eine Schule für Kinder jüdischen Glaubens), der Feuerwehr und der ärztlichen Versorgung. Neben der Ortsverwaltung wies Göllheim eine weitere, höhere Verwaltungsbehörde auf: die „Distriktgemeinde Göllheim“ – ein Zweckverband von 18 Ortsgemeinden innerhalb des Aufsichtsbezirks des Bezirksamtes Kirchheimbolanden – deren Organ, der Distriktsrat, für den Bau und die Unterhaltung der Distriktsstraßen, aber auch für das Gehalt des Postboten und des Bauschaffners zuständig war. Darüber hinaus bemühte das Gremium sich seit 1853 um den Bau eines Distriktskrankenhauses, das nach vielen vergeblichen Anläufen schließlich am 20. September 1886 in der Dreisener Straße mit 28 Betten eröffnet wurde. Neben Markt und Marktrecht, Kantonsarzt, Apotheke, Kantonstierarzt und Distrikts Göllheim ein gewisses städtisches Ansehen und Aussehen verlieh. Und ausgerechnet diese Institution wurde im Zuge der Vereinheitlichung des Rechtswesens 1879 in das Amtsgericht Kirchheimbolanden eingegliedert. Fast vierzig Jahre führte Göllheim einen hartnäckigen Kampf um das verlorene Gericht wieder zu erhalten, aber alle noch so gut begründeten Eingaben und Petitionen blieben ohne Eindruck auf die Obrigkeit – sowohl die monarchische als auch, nach 1918 erbaute Uhl´sche Haus, ein hervorragendes Beispiel gründerzeitlicher Architektur im Donnersbergkreis, und die 1909-1911 errichtete neue, katholische Kirche „Heilig Kreuz und St. Nepomuk“, eine dreischiffige, in der Formensprache der Spätgotik gehaltene Hallenkirche, die gern als „Nordpfälzer Dom“ bezeichnet wird.
Von 1868 bis 1893 waren Dorf und Kanton Göllheim sowohl bei bayerischen Landtags- als auch bei Reichstagswahlen eine Bastion der Nationalliberalen Partei. Dann veränderten der „Bund der Landwirte“ (BdL) und die SPD zunehmend die Parteienlandschaft im Wahlkreis 6. Die Nationalliberalen verloren nach 1893 fortlaufend an Zustimmung, während die Sozialdemokraten Zulauf verzeichneten. Die Reichstagswahl 1912 – die letzte vor dem ersten Weltkrieg – brachte dann sowohl im Dorf als auch im Kanton die politische Wende zugunsten der SPD: die große Mehrheit der Wähler votierte für den Sozialdemokraten Johannes Hoffmann aus Kaiserslautern.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde auch Göllheim von der allgemeinen Kriegsbegeisterung erfasst. Auch seine jungen Männer drängten zu den Fahnen, meldeten sich freiwillig, fürchteten oftmals ‚zu spät‘ ins Feld zu kommen. Die militärischen Erfolge der ersten beiden Kriegsjahre wurden begeistert gefeiert. Doch schon Ende 1915 begann sich Ernüchterung breitzumachen. Das im ehemaligen Distriktkrankenhaus errichtete Lazarett war ständig überbelegt, die Zahl der Gefallenen stieg und die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung verschlechterte sich mehr und mehr selbst in der Ackerbaugemeinde Göllheim. Vor allem die ärmeren Leute litten bald große Not, so dass sich der Gemeinderat im Oktober 1917 gezwungen sah, 600 Zentner Kartoffeln aufzukaufen und im Schulkeller einzulagern, die im nachfolgenden „Steckrübenwinter“ an die Ortsarmen verteilt wurden.
Als am 9. November 1918 das Zweite Deutsche Kaiserreich abrupt endete – mit Kaiser Wilhelm II. verschwand auch der bayerische König Ludwig III. – und die Republik ausgerufen wurde, waren 60 Göllheimer gefallen, 9 vermisst und über hundert in alliierter Gefangenschaft. Wie es weitergehen sollte, war sicherlich den meisten der knapp 1.500 Einwohner unklar. Von „revolutionärem Fieber“ im Dorf – keine Spur! Da aus Kaiserslautern und Ludwigshafen politische Unruhen gemeldet wurden, beschloss der Gemeinderat lediglich „einen zweiten Nachtwächter vorläufig auf die Dauer der Wintermonate d.i. bis 1. März einzustellen“, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten.
Göllheim in der Weimarer Republik (1919-1932)
Als am 1. Dezember 1918 die VIII. französische Armee die Pfalz besetzte, kam es zu einer nachhaltigen Änderung im öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben der Provinz, denn die Besatzungsmacht mischte sich fortan massiv in die politische Umgestaltung in Deutschland ein. Auch für Göllheim begannen in der Weimarer Republik 12 unruhige Jahre. Projekte, deren Verwirklichung der Krieg verzögert hatte – die Wasser- und Elektrizitätsversorgung, sowie die Telefonleitung Kerzenheim-Göllheim – wurden zunächst zügig angepackt, aber die Inflation machte schnell alle Planungen zu Makulatur. Mit der Zerrüttung der Währung fiel das Vertrauen in die Politik des Reiches und Bayerns schon bald auf einem Tiefpunkt. Das war im Herbst 1923 die Stunde der Separatisten, die – vom französischen Militär tatkräftig unterstützt – in Speyer die „Autonome Pfalz“ proklamierten. In Göllheim fanden die Hoch- und Landesverräter aber keine Anhänger. Nur unter brutalem Zwang gaben Bürgermeister und Gemeinderat gegenüber der ‚Autonomen Regierung‘ des Heinz-Orbis eine Loyalitätserklärung ab, die sie nach dem Ende des bösen Spuks unverzüglich als „erzwungen und damit ungültig“ erklärten und zurückzogen. Danach kehrte eine gewisse Ruhe ein – von wirklicher Normalität konnte aber keine Rede sein, dauerte die französische Besatzung doch weiter fort.
Bei den Reichs- und Landtagswahlen vermochten radikale politische Kräfte in Göllheim dennoch bis 1930 nie nennenswerte Stimmenanteile zu verbuchen. Die SPD lag im Ort jeweils mit über 30% der Wählerstimmen klar an der Spitze und schnitt hier stets besser ab als in der Pfalz und im Reich. Einzige Ausnahme: der 2. Wahlgang bei der Reichspräsidentenwahl 1925. Im 1. Wahlgang gaben 37,4% der Göllheimer dem Sozialdemokraten Otto Braun ihre Stimme, während die Kandidaten des rechten und linken Randes – der exaltiert reaktionäre General Ludendorff (0,48%) und der Kommunist Thälmann (0,2%) – geradezu marginale Ergebnisse einfuhren und auch die Kandidaten der anderen Parteien nicht entfernt an Brauns Prozente heranreichten. Im 2. Wahlgang unterstützten SPD und DDP dann Wilhelm Marx, den Kandidaten des (katholischen) Zentrums, und das überwiegend protestantische Göllheim entschied sich eindeutig für den protestantischen Kandidaten der Rechten: Paul von Hindenburg, der mit 57,9% hier weitaus besser abschnitt als in der Pfalz (45,3%) und im Reich (48,3%). Wilhelm Marx konnte in Göllheim nur 39,2% der Stimmen auf sich vereinigen, in der Pfalz dagegen 48,6% und damit 3,3% mehr als Hindenburg, der im Reich wiederum um 3% vor dem Zentrumsmann lag und Nachfolger des verstorbenen Friedrich Eberts wurde. -1928 hatte Göllheim dann endlich einmal einen triftigen Grund zum Feiern: der Wasserwerksbau konnte abgeschlossen werden, der den Gemeindehaushalt jahrelang schwer belastet hatte. Besonders dramatisch entwickelte sich die Finanzlage der Gemeinde ab 1929 vor allem deshalb, weil auf der Einnahmenseite die Steuerausfälle aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit zunahmen, die von der Erwerbslosigkeit Betroffenen aber von der Gemeinde unterstützt werden mussten. Von „Goldenen 20er Jahren“ konnte in Göllheim daher keine Rede sein. Dabei war die große Arbeitslosigkeit weder ein lokales noch ein regional-pfälzisches Problem: 1930 war jeder vierte Deutsche ohne Arbeit! Diese Tatsache und die sich verschärfende wirtschaftliche Krise blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Politik. Zwar räumten die Franzosen im Sommer 1930 ihre Besatzungszone und damit ging, mit zwölfjähriger Verspätung, in der Pfalz der Erste Weltkrieg endgültig zu Ende. Auch in Göllheim jubelte deshalb die Bevölkerung: „Der Rhein ist frei! …Fort ist der Feind, fort ist die Trikolore“ und die Göllheimer Vereine veranstalteten am 28. Juni 1930 auf dem Festplatz in der Gewanne Siebzehnmorgen eine große „Befreiungs-Feier“. Aber im September gleichen Jahres jubelte im Dorf dann nur noch die NSDAP, denn bei der Reichstagswahl wurden sie in Göllheim mit 25,6 % sensationell die zweite politische Kraft hinter der mit 32,4 % wieder erfolgreichen SPD. Anders als auf Reichsebene, wo die Parteien der Weimarer Koalition (SPD, DDP, Zentrum) nur noch auf 40% der Stimmen kamen, erzielten diese Parteien in Göllheim noch über 50% und rechnet man den Stimmenanteil der im Ort starken DVP noch hinzu, so verfügten die die Weimarer Republik bejahenden Kräfte hier noch immer über eine Zwei-Drittel-Mehrheit! Doch als im Marathonwahljahr 1932 die Zahl der Fürsorgeempfänger in der Gemeinde auf 84 anstieg wurden die Nationalsozialisten auch in Göllheim zur stärksten politischen Kraft.
Im NS-Staat (1933-1945)
Nach Hitlers sogen. ‚Machtergreifung‘ am 30. Januar 1933 ‚ergriffen‘ die örtlichen Nazis auch in Göllheim die Macht: Eine SA-Schlägertruppe zog durch den Ort und drangsalierte und misshandelte echte und vermeintliche Regimegegner, was in zwei Fällen zum Tode der Misshandelten führte! Aber trotz des rüden NS-Terrors entschieden sich bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 noch immer 161 Göllheimer für die SPD, 143 für das Zentrum und 29 sogar für die KPD. Die ‚Partei des Führers‘ errang zwar mit 594 der abgegebenen 984 Stimmen die absolute Mehrheit, aber ihr Erfolg fiel in Göllheim weitaus geringer aus als in den anderen protestantischen –agrarischen Orten in der Nordpfalz. Gleichwohl wurde Adolf Hitler bereits am 20. März das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde verliehen – einen Tag bevor (!) dem Reichspräsidenten v. Hindenburg die gleiche Ehrung zu Teil wurde.
Nach der in dem „vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März 1933 enthaltenen Bestimmung, dass „die Kommunalparlamente ohne Wahl an die durch die Wahl vom 5. März geschaffenen Mehrheiten im Reichstag anzugleichen“ seien, erfolgte dann am 22.April die Umbildung des Gemeinderates, dem bald nur noch Nazis angehörten, die verpflichtet wurden künftig alle Beschlüsse und die Besetzung der Kommissionen nur noch „auf Antrag/Vorschlag der Partei“ vorzunehmen. Wahlen und Abstimmungen degenerierten nunmehr zur reinen Farce. Wie im ganzen Reich gingen auch in Göllheim die lokalen Nazigrößen und „eine Masse zustimmender Mitmacher“ (H. Ziegler) brutal gegen alle Regimekritiker vor, verwüsteten schon am 23. Juni 1933 das katholische Pfarrhaus, nahmen den Ortspfarrer in ‚Schutzhaft‘ und schändeten und zerstörten einen Tag nach dem Pogrom am 9. November 1938 (der sogen. ‚Reichskristallnacht‘) die Synagoge der jüdischen Gemeinde.
Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs war die von der NSDAP initiierte Umwandlung der beiden im Ort bestehenden Konfessionsschulen in eine konfessionell gemischte Gemeinschaftsschule (1937) das einzige, für Göllheims Zukunft wirklich bedeutsame Ereignis.
Bis Ende 1941 hatte der Zweite Weltkrieg – sieht man von der Sorge um die Verwandten im Kriegsgebiet und die an der Front stehenden Göllheimer Soldaten ab – nur wenig Auswirkung auf das Gemeindeleben. Schon vor dem Ende der Kampfhandlungen in Polen und Frankreich kamen die ersten Kriegsgefangenen ins Dorf, die – in „Ernst´s Gartensaal“ untergebracht – Bauern und Handwerkern als Arbeitskräfte zugewiesen wurden. Die unerwartet schnellen Erfolge der ‚Blitzkriege‘ 1939/40 ließen die Bevölkerung auf ein rasches siegreiches Kriegsende hoffen. Da dieses ausblieb, die Zahl der gefallenen und verwundeten Göllheimer nach Beginn des Russlandfeldzugs rapide anstieg und seit Februar 1942 selbst das kleine Göllheim immer wieder von den Alliierten mit Bomben belegt und von ‚Jabos‘ (Jagdbombern) angegriffen wurde, die hohe Sachschäden verursachten (12 Häuser zerstört, 50 schwer, 90 leicht beschädigt), wich die anfängliche Hochstimmung mehr und mehr einem Gefühl der Angst und Ohnmacht gegenüber der absoluten Lufthoheit der Alliierten. Als sich ab 1943 die militärischen Niederlagen an allen Fronten häuften, im Januar 1945 die Reichsgrenze im Westen von den Alliierten überschritten, der Volkssturm mobilisiert, der Bau von zwei Panzersperren im Dorf befohlen und am 5. März 1945 der Jahrgang 1929 (!) zur Wehrmacht einberufen wurde, da war auch in Göllheim selbst den ‚gläubigsten‘ Nationalsozialisten klar, dass die Schlussphase des Zweiten Weltkriegs eingeläutet war und das Ende Hitler-Deutschlands (des prahlerisch verkündeten „tausendjährigen deutschen Reiches“!) unmittelbar bevorstand. Die örtlichen NS-Größen in Rat und Verwaltung machten sich sobald die Front näher rückte entweder klammheimlich aus dem Staube oder gingen ‚auf Tauchstation‘. Am Morgen des 20. März 1945 erreichte eine Kampfgruppe der 11. US-Panzerdivision der 3. US-Armee (General Patton) Göllheim, das kampflos in ihre Hände fiel. Für die Göllheimer war der Krieg damit de facto zu Ende; das „mopping up“ der Amerikaner begann, d.h. das Dorf wurde besetzt, durchsucht – die gesamte Einwohnerschaft musste sich deshalb vorübergehend außerhalb des Dorfes auf der „Schindwiese“ versammeln – Sperrzeiten und Verkehrsbeschränkungen wurden verhängt und willkürliche Einquartierungen vorgenommen. Nicht verschwiegen sei in diesem Zusammenhang, dass nicht wenige ‚Amis‘ bei diesen Aktionen Uhren, Schmuck und andere wertvolle Gegenstände gerne als Souvenirs ‚mitgehen ließen‘.
Die ‚neue Zeit‘ begann in Göllheim mit der Installierung einer neuen Gemeindeverwaltung durch die US-Militärbehörde. Die von den Amerikanern eingesetzte neue dörfliche Obrigkeit war zunächst nur ein Befehlsempfänger der Besatzungsmacht, deren Anweisungen sie strikt zu befolgen hatte. Jakob Hartmüller und Willi Hecht fiel die schwere Aufgabe zu die Kriegsschäden im Ort zu beseitigen, die Gemarkung von zurückgelassenem Kriegsgerät zu säubern, in der Bürgerschaft die Einhaltung der Ablieferverpflichtungen durchzusetzen und Wohnraum für Obdachlose und Flüchtlinge zu beschaffen. Die allergrößten Sorgen bereitete den beiden indes die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmittel aller Art, insbesondere nachdem die Franzosen die Amerikaner als Besatzungsmacht abgelöst hatten.
Göllheim in Rheinland-Pfalz (1946 ff.)
1946/47 waren ausgesprochene „Hungerjahre“. Die von General Pierre Koenig schon 1946 verfügte Gründung des Landes Rheinland-Pfalz („das Land aus der Retorte“) verscheuchte keineswegs den Hunger von pfälzischen Tischen, festigte aber die wieder eingeführte demokratische Ordnung, wie sie vor 1933 bestanden hatte. Schon bei den ersten rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen honorierten die Göllheimer den unermüdlichen Einsatz des Tandems Hartmüller-Hecht für das Gemeinwohl, indem sie die beiden ‚eingesetzten‘ nun zu ‚ordentlichen‘ Bürgermeistern bzw. Beigeordneten wählten. Das „Schlangestehen“ vor Lebensmittelgeschäften, Bäcker- und Metzgerläden gehörte allerdings noch immer zum dörflichen Alltag. Erst mit der Währungsreform (1948) begannen sich die Verhältnisse auch im nach wie vor noch von der Landwirtschaft dominierten Göllheim endlich wieder zu normalisiere.
Unter den Bürgermeistern Hartmüller und Hecht (1945-1956), Karl Alles (1956-1964) und Hans Appel (1964-2009) entwickelte sich in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts das Göllheim, das wir heute kennen: Den ersten Impuls hierzu gab in der Amtszeit von Karl Alles die Errichtung der bäuerlichen Siedlung „Füllenweide“ durch junge Landwirte aus den verlorenen deutschen Ostgebieten. Sie verstärkte zunächst nochmals das bäuerliche Element, aber die mit der Ansiedlung der Dyckerhoff-Zementwerke und der pyrotechnischen Fabrik Feistel einsetzende Industrialisierung veränderte alsbald das wirtschaftliche und soziale Gefüge im Dorf und es war ein Glück für Göllheim, dass 1964 mit Hans Appel dann ein Mann an die Spitze der Gemeinde gewählt wurde, der, über den dörflichen Tellerrand hinausblickend, die Zeichen der Zeit erkannte und – mit Hilfe des seine Ideen und Vorhaben allezeit mittragenden Gemeinderates, einer effizient arbeitenden Verwaltung und einer Bürgerschaft, deren Bodenständigkeit seinen Modernisierungsprojekten nie im Wege stand – seine Vision eines modernen Göllheims realisierte, die Tradition und Fortschritt verband. Dazu musste zunächst gegen größte politische und fachbehördliche Widerstände eine der zukünftigen Entwicklung Göllheims Rechnung tragende Trassenführung der neuen B 47, d.h. eine Umgehungsstraße, durchgesetzt und weit vorausschauend ein Schul-, ein Wasserversorgungs – und ein Forstbetriebsverband gegründet werden – wichtigste Voraussetzungen für die 1972 erfolgte Gründung der Verbandsgemeinde.
An den alten, unter Carl Christian von Nassau-Weilburg zwischen 1765 und 1787 entstandenen Ortskern wurde mit dem neuen Marktplatz (1986) ein neuer Ortsteil harmonisch angeschlossen. Durchdacht platzierte alte und moderne Kunstwerke ‚vernetzten‘ eindrucksvoll Alt- und Neu-Göllheim, Vergangenheit und Gegenwart. Es gibt in der Bundesrepublik gewiss nicht viele Gemeinden, in denen die Kunst im öffentlichen Raum so gefördert, gezielt und gekonnt eingesetzt wurde, wie hier! – Der Bau der Gutenberg-Schule als Mittelpunkt- und Regionalschule, des Sport- und Freizeitzentrums, des Heilpädagogisch-Therapeutischen Kinderzentrums und des Senioren-Pflegehauses Antonius trugen der sich veränderten Sozialstruktur der Bevölkerung Rechnung. Die Errichtung des Heimatmuseums im Haus Uhl und der Bau des Hauses ‚Gylnheim‘, die die Dorfgemeinschaft förderten, der Geo-Park Dachsberg als touristische Attraktion, die Partnerschaften mit La Clayette (Frankreich, 1977), Marano Equo (Italien, 1991) und Kozieniece (Polen, 1995), die europäische Perspektiven eröffneten, die Ansiedlung der Firma Linde, des weltgrößten technischen Gasproduzenten, der hier die modernste Abfüllanlage in der BRD errichtete (2006), sowie der bereits 1989 erreichte Anschluss der Gemeinde an die A63 Kaiserslautern-Mainz, festigten die inzwischen industriell-urbane Aura des Groß-Dorfes Göllheim. Als Hans Appel nach 45 Jahren (!) den Bürgermeistersessel räumte, war Göllheim ein liebens- und sehenswertes, modernes, weltoffenes Gemeinwesen.
Unter seinem Nachfolger Dieter Hartmüller wurde die Gemeinde inzwischen erneut ins Städtebauförderungsprogramm aufgenommen und der gemeindeeigene Friedrich-Fröbel-Kindergarten zur Kindertagesstätte erweitert. Augenblicklich laufen die Planungen für die Ansiedlung eines Aldi-Marktes und eines Fachmarktzentrums – erfreuliche Indizien, dass sich das zwölfhundertjährige Göllheim, das gegenwärtig ca. 3900 Einwohner zählt, auch im gerade begonnenen Zeitalter der Digitalisierung als lebendiges, nordpfälzisches Grundzentrum behaupten und weiter entwickeln wird.
Anmerkung:
Die Belege zu allen im vorstehenden Beitrag erwähnten Fakten und Daten finden sich in Band 1 (2006) und Band 2 (2009) der vom Autor im Auftrag der Gemeinde herausgegebenen Ortsgeschichte sowie in dessen Manuskript für den 3. Band, der Ende 2018 vorliegen wird.